Vortrag am 20. Januar 2017 in Karlsruhe:

Ich wurde als Kind noch zum Einkaufen ins Kolonialwarengeschäft geschickt. Fast alle Länder Afrikas waren noch Kolonien.

 

Dann die „Entlassung der Kolonien in die Unabhängigkeit“ um 1960.

Ab1967 konnte ich das Ergebnis als Reporter und später als Auslandskorrespondent des ZDF regelmäßig aus der Nähe betrachten.

 

Mein erster Afrika-Einsatz führte mich in den ersten Krieg nach der „Unabhängigkeit“, den Biafra-Krieg. Da ging es nicht, wie behauptet, um Religion, es ging um Öl. Dahinter steckten keine bösen Muslime, wie wir damals glauben sollten, es war, wie wir heute wissen, der französische Ölkonzerns Elf Aquitaine.

 

Und das war typisch für so viele Ungeheuerlichkeiten und Lügen, die ich seitdem in Afrika erlebt habe: Die dickste Lüge war die Behauptung, die Kolonialzeit sei vorbei. Ist sie nicht. Die Kolonialherren sind immer noch da. Nur sind es eben keine Staaten mehr, sondern Konzerne. Man hat den Kolonialismus damals eben nicht beendet, man hat ihn privatisiert.

 

Die Rolle der Kolonialherren ist von der globalisierten Wirtschaft übernommen worden. Und diese Wirtschaft lenkt Afrika bis heute. Dabei ist das wichtigste Ziel der Wirtschaftsführer natürlich nicht das Wohlergehen der Afrikaner, es geht um das Wohl der eigenen Aktionäre.

 

Zu diesem Zweck muss die Zusammenarbeit mit den Regierungen der jetzt angeblich unabhängigen Staaten Afrikas möglichst gut funktionieren. Am besten funktioniert sie, wenn man selber, direkt oder über korrupte Militärs, geholfen hat, die Regierung, den Präsidenten an die Macht zu bringen, und wenn man dafür sorgt, dass er an der Macht bleibt, solange er die Erwartungen seiner Sponsoren erfüllt.

 

Und so tun sie sich bis heute gegenseitig viel Gutes: Die schwarzen Eliten als Regierung bieten ihren weißen Geschäftsfreunden traumhaft günstige Standortbedingungen. Die Sponsoren sorgen dafür, dass ihre Statthalter an der Macht bleiben.

 

So können sich die Ölkonzerne darauf verlassen, dass in Nigeria nicht auch noch das Volk an den Öleinnahmen beteiligt werden muss. Und dass es bei der Ölförderung keine teuren Umweltauflagen gibt.

 

Der Importeur von Blumen aus Sambia bekommt seine Ware gewohnt preisgünstig, weil in Afrika die Löhne lächerlich gering sind und so gerinbg auch bleiben, und weil teure Schutzmaßnahmen beim Einsatz von Pestiziden weiterhin kein Thema sind.

 

Wer immer in Afrika Geschäfte macht, der weiß es zu schätzen, wie angenehm und profitabel es ist, wenn man dort einen Diktator zum Geschäftspartner hat, dem das eigene Volk ziemlich egal ist. Hauptsache, ihm und seinem Clan geht es gut.

 

Die wichtigste Aufgabe des Potentaten ist, im eigenen Land dafür zu sorgen, dass dort niemand die guten Geschäfte stört, dass also keine Studenten oder andere Störenfriede lautstark Demokratie einfordern oder Menschenrechte, und dass keine Gewerkschafter ordentliche Arbeitsbedingungen verlangen und gerechte Löhne. Wer trotzdem mit solchen Forderungen den guten Standortbedingungen in Afrika zu schaden versucht, der wird mit aller Härte zum Schweigen gebracht oder in die Flucht getrieben.

 

Von solchen Fluchtursachen ist aber selten oder nie die Rede, wenn unsere Politik über Flüchtlingszahlen laut nachdenkt.

 

Die hiesigen Geschäftsfreunde der Potentaten achten nämlich sehr darauf, dass hier möglichst niemand Anstoß daran nimmt, dass man mit zwielichtigen Partnern in Afrika und anderswo so überaus lukrative Geschäfte macht. Im Afrika-Geschäft spricht man von Renditen nicht unter 30 Prozent! Die gilt es zu verteidigen. Dafür sind fähige Lobbyisten ständig im Einsatz. Und es fließt Geld, viel Geld für allerlei Wohltaten, für Partei- und Wahlkampfspenden. Die auf solche Weise ruhiggestellten Politiker muss man dann wohl Komplizen nennen.

 

Drei Beteiligte also, die da schon seit Jahrzehnten sehr erfolgreich Hand in Hand arbeiten: Im Zentrum immer wenigstens ein weißer Weltkonzern. Der hält seine eine Hand schützend über die ihm treu ergebene schwarze Regierung und kommt dafür günstig an begehrte Rohstoffe und hat vor Ort freie Hand beim Umgang mit den Menschen und der Umwelt. Mit der anderen Hand hält er zuhause seine Regierung und das Parlament bei Laune. Geld ist ja genug da.

 

Würden sich hierzulande drei Partner zusammen tun, um mit solchen Methoden möglichst viel Geld zu verdienen, dann würde man das als Organisierte Kriminalität bezeichnen.

 

Bei Wikipedia habe ich eine sehr schöne knappe Definition für organisierte Kriminalität gefunden:

 

„Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig daran zusammenwirken:

  • unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,

  • unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder

  • unter Einflussnahme auf Politik, Massenmedien, öffentliche Verwaltung.

 

Soviel zu den Tätern, den überaus erfolgreichen Gewinnern dieses kriminellen Geschäftsmodells.

 

Kommen wir zu den Verlierern, den Opfern. Das sind in Afrika

etwa 1 Milliarde Menschen, für die der Kolonialismus bis heute nicht vorbei ist. Diese schwarze Bevölkerung ist genauso unfrei wie zuvor und genauso arm, denn an den Gewinnen aus dem Export der Kolonialwaren wird diese Bevölkerung weiterhin nicht beteiligt. Und dafür, dass es so bleibt, sorgt die Diktatur vor Ort mit Gewalt und Einschüchterung gegen jeden, der es wagt, sich dagegen aufzulehnen. Wer nicht zum Clan, zum Apparat der Macht gehört, hat keine Möglichkeit, sich jemals aus dem Elend zu befreien, für den ist Davonlaufen die einzige Chance. Und es nützt nichts, in eines der Nachbarländer zu gehen, denn dort ist die Lage nicht besser.

 

Also nach Europa.

 

Und es sind Millionen von Afrikanern unterwegs nach Europa, weil sie so nicht mehr leben wollen. Wer diese Millionen stoppen will, der muss endlich die wahren Fluchtursachen angehen. Und zwar hier. Im Westen. In den Heimatländern der Konzerne.

 

Denen müssten unsaubere Geschäfte endlich strikt verboten werden. Geschäfte mit Schurken, Diktatoren, Menschenrechtsverletzern und ihren Unterstützern. Geschäfte also, die deshalb so lukrativ sind, weil dadurch woanders auf der Welt Menschen ihrer Rechte und ihrer Würde beraubt werden.

 

Wenn das gelänge, würde es sich nicht mehr lohnen, so viele Afrikaner unter so schlimmen Bedingungen leben und leiden zu lassen. Die Konzerne könnten sich ihre korrupten afrikanischen Statthalter sparen. Die Kolonialzeit wäre endlich für alle vorbei.

 

Die Opfer brauchten nicht mehr zu fliehen!

 

Bei den Vereinten Nationen bemüht man sich schon seit Jahren, Menschenrechtsverletzungen als Fluchtursache auszumerzen. Weltweit. Es begann 1999 mit dem Vorschlag eines GLOBAL COMPACT. Die Konzerne sollten sich verpflichten, ihre menschenverachtenden Geschäftspraktiken in fernen Ländern zu beenden. Auch keine Geschäfte mehr mit Diktatoren zu machen, denen die Menschenrechte egal sind. Und sie versprachen, damit aufzuhören. Freiwillig. Und da liegt das Problem: freiwillig geschah nichts.

 

Deshalb verabschiedete der UN Menschenrechtsrat 2011 die UN LEITPRINZIPIEN FÜR WIRTSCHAFT UND MENSCHENRECHTE. Die sollen nun überall auf der Welt umgesetzt werden. In Deutschland soll es der „Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ regeln.

 

Und tatsächlich sagte Angela Merkel beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau 2015 den folgenden bemerkenswerten Satz: „Wir haben auch eine große Verantwortung im Zusammenhang mit Lieferketten, also im Zusammenhang mit der Aufgabe, für vernünftige Arbeitsbedingungen nicht nur in unseren eigenen Ländern Sorge zu tragen, sondern auch alles dafür zu tun, dass auch in den Produktionsländern vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen.“

 

So standen denn im deutschen „Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ allr von den Vereinten Nationen verlangten verbindlichen Regeln mit denen künftig auch deutsche Unternehmen beim Umgang mit Lieferanten und deren Arbeitskräften in anderen Ländern zur Einhaltung der Menschenrechte gesetzlich verpflichtet werden sollen. Kontrollen sollte es geben. Verstöße sollten geahndet werden.

 

Sie ahnen es: Das alles ist schon wieder Vergangenheit.

 

Denn sofort wurden in Berlin die Lobbyisten aktiv. Der Arbeitgeberverband BDA und der Industrieverband BDI fanden den Aktionsplan in dieser Form unannehmbar. In einem Schreiben der Lobbyisten heißt es wörtlich: „jede Form von neuen Pflichten und Obligationen,… sind kontraproduktiv und deshalb vollkommen inakzeptabel.“

 

Prompt wurde der Aktionsplan im federführenden Finanzministerium im Sinne der Wirtschaft überarbeitet. Plötzlich ist nicht mehr davon die Rede, dass Firmen gesetzlich zur Einhaltung der Regeln verpflichtet seien. Menschenrechte, ja schon, nur doch bitte nichts Verbindliches, auch keine Überprüfungen, und schon gar keine Sanktionen bei Verstößen gegen die Menschenrechte.

 

Das ganze Regelwerk der Vereinten Nationen wurde systematisch verwässert und damit für Deutschland weitgehend wirkungslos gemacht: aus Erwartungen wurden Empfehlungen, Soll-Bestimmungen wurden zu Kann-Bestimmungen, von einer Sorgfaltspflicht gegenüber ausländischen Arbeitskräften ist gar keine Rede mehr. Überprüfungen und Sanktionen bei Verstößen? Gott bewahre! Wir wollen doch unsere Wettbewerbsvorteile nicht aufs Spiel setzen.

 

D.h., alles was zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Afrika und anderswo hätte beitragen sollen, und damit zum Abbau von Fluchtursachen, all das lehnt die Wirtschaftslobby weiterhin ab, und die Regierung tut was sie kann, der Wirtschaft diese Wünsche zu erfüllen.

 

Dabei war das die große Chance, den anhaltenden Flüchtlingsstrom von Afrika nach Europa endlich zu stoppen.

 

Es wurde nichts daraus. Genau die Konzerne haben es verhindert, die in Afrika und in der übrigen Dritten Welt so schmutzige und deshalb so einträgliche Geschäfte machen. Die wollen sie sich nicht nehmen lassen.

 

Es werden also noch weitere Millionen Afrikaner zu uns kommen. Sie kommen auch, weil sie wissen, dass ihre Menschenwürde hier vom Grundgesetz geschützt ist. (Artikel eins: Die Würde des Menschen ist unantastbar.)

 

Nun kommen diese Zuwanderer aber in ein Land, das gerade selber ein Problem mit sozialer Ungerechtigkeit hat. Weil nämlich die wohlhabenden Eliten die Politik zu ihren Gunsten beeinflussen können und damit immer noch wohlhabender werden, macht sich in der übrigen Gesellschaft eine gefährliche Verbitterung breit. Die richtet sich aber nicht etwa gegen diese Reichen, sondern gegen die noch ärmeren Opfer dieser Reichen, die Flüchtlinge.

 

Das heißt, die selben Konzerne, die mit Organisierter Kriminalität dafür sorgen, dass die Zustände in Afrika weiter zum Davonlaufen sind, die bewirken zugleich, dass die von ihnen in die Flucht getriebenen Afrikaner bei uns immer weniger willkommen sind.

 

 

Eine gefährliche Entwicklung, auf die wir da zutreiben:

 

  • Unsere Politik wird zunehmend vom Großen Geld gesteuert.

  • Dadurch wächst die Kluft zwischen Reichen und Armen sowohl im Lande wie auch international.

  • Das verstärkt den Zuwanderungsdruck aus armen Ländern.

  • Hier hat das ein Erstarken der Nationalisten zur Folge, die vieles von dem zurückdrehen wollen, worauf wir stolz sind, z.B. unser liberales Wertesystem und die Einheit Europas.

 

Nicht die Zuwanderer gefährden den Fortbestand unserer freiheitlichen Gesellschaft. Es ist das Große Geld. Die meisten der Superreichen wollen eben keine gerechtere Welt – hier im Lande nicht und auch nicht global. Das kann und wird auf die Dauer nicht gut ausgehen.